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Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung (8. Oktober 2007)
Bundeswehr
Eine Armee voller Grüner?
Von Oliver Hoischen
So einen wie Hanno Ohletz muss man bei den Grünen noch
immer lange suchen: Er ist im Kreisverband Münster aktiv
und hat doch vor vier Jahren erst seinen Wehrdienst geleistet,
brachte es als Sanitätssoldat artig bis zum Obergefreiten,
wurde am Sturmgewehr G36 ausgebildet und an der Pistole P9
und bewachte während des Irak-Kriegs sogar eine amerikanische
Kaserne in Schweinfurt. "Ich hatte immer Interesse an
der Bundeswehr. Schon als Junge hat es mich fasziniert, im
Fernsehen den britischen Soldaten zuzuschauen, wie sie zum
Geburtstag der Queen durch London marschierten", sagt
der 24 Jahre alte Lehramtsstudent.
Nicht einen Moment habe er daran gedacht, den Wehrdienst
zu verweigern - obwohl auch sein Vater ein Grüner ist
und beide Brüder nicht gedient haben. "Die ganze
Familie ist neugierig zu meinem Gelöbnis erschienen,
mein Vater hat sich sogar in Uniform fotografieren lassen",
erinnert er sich.
"Wer geht denn da noch zur Bundeswehr?"
Grüne in der Bundeswehr? Das scheint noch immer ein
Widerspruch in sich zu sein. Dabei sind die Zeiten des Kalten
Krieges lange vorbei, die Aufgaben der deutschen Streitkräfte
haben sich völlig gewandelt - und die Grünen mit.
Wettrüsten, Friedensbewegung, Pazifismus - das sind auch
bei ihnen Begriffe aus der Mottenkiste, die manch junges Mitglied
nur noch aus dem Geschichtsunterricht kennt. Schließlich
hatte es in der Partei nach Bosnien und Srebrenica einen schmerzvollen
Umdenkungsprozess gegeben, für den nicht zuletzt der
Name Joschka Fischer stand. Viele Grüne sind seitdem
regelrecht konvertiert, sie sehnen militärische Einsätze
geradezu herbei, etwa in Darfur. Wie Umfragen ergaben, finden
sich ausgerechnet unter den Anhängern der Grünen
die meisten Befürworter von Auslandseinsätzen der
Bundeswehr.
Daraus aber Konsequenzen für den eigenen Lebenslauf
oder die eigene Berufswahl zu ziehen liegt den jungen Grünen
fern. "Schauen Sie sich einmal eine Abiturklasse an:
Wer geht denn da noch zur Bundeswehr?", fragt Ralf Fücks,
Vorstand der grünennahen Heinrich-Böll-Stiftung.
Gerade in den bildungsbürgerlichen Milieus, aus denen
viele Grüne kommen, leisteten die jungen Männer
noch immer lieber Zivildienst - wenn überhaupt. Das sei
also keine grüne Besonderheit, sondern ein kulturelles
Phänomen. Fücks gibt aber zu: Grüne rieben
sich eher an der Binnenkultur einer Armee, sie lehnten Befehl
und Gehorsam, Drill und Kasernierung ab, stattdessen hielten
sie Werte hoch wie Selbstbestimmung und Widerspruchsgeist.
Schon Ende der neunziger Jahre rief der Altgrüne Fücks
"Menschen mit demokratischer Grundhaltung" dazu
auf, Soldat zu werden - und fände es noch immer "wünschenswert,
wenn gerade junge Leute mit grünen Sympathien zur Bundeswehr
gingen - dezidierte Demokraten, die internationalistisch eingestellt
sind, für die Menschenrechte ein hohes Gut sind und die
das Militär nicht mit Militarismus verwechseln".
Dabei ist es Fücks wichtig festzustellen, dass er einst
selbst den Wehrdienst verweigert hat und darum keine Ratschläge
geben dürfe.
Grüne sind eher im Auswärtigen Amt
Auch Fraktionschefin Renate Künast will das nicht. Doch
auch nach ihrer Ansicht wäre es "nur normal, wenn
mehr Grüne bei der Bundeswehr wären". Als Vorbild
nennt sie die Polizei: Dort gebe es ja auch längst jede
Menge Grüne. Noch sei es aber so, dass Grüne eher
als zur Bundeswehr ins Auswärtige Amt gingen, zur GTZ
oder in eine Nichtregierungsorganisation und sich dort zivil
im Auslandseinsatz engagierten, gesteht Frau Künast ein.
Grüne Panzerfahrer wären dabei wohl durchaus nach
ihrem Geschmack. Oder grüne Jagdflieger. An die stellt
sie allerhöchste Anforderungen: Vor wenigen Tagen hat
die Grünen-Chefin das Jagdgeschwader "Richthofen"
in Wittmund besucht, da habe sie wirkliche Staatsbürger
in Uniform getroffen, die Befehlen alles andere als blind
gehorchten - und die die Äußerungen von Verteidigungsminister
Franz Josef Jung (CDU) über den möglichen Abschuss
von Passagierflugzeugen durchaus kritisch sähen.
Soldaten als Verbündete der Grünen? Als Frau Künast
im Mai in Afghanistan war, sei sie nach einer dreistündigen
Diskussion sogar gelobt worden - selten hätten sich die
Soldaten so ernst genommen gefühlt. "Die Soldaten
sehen: Wir Grüne machen es uns nicht leicht und ringen
um unsere Position."
Das ist eher noch untertrieben, wie der Parteitag in Göttingen
gezeigt hat und auch am kommenden Freitag wohl wieder deutlich
wird, wenn im Bundestag über das Afghanistan-Mandat abgestimmt
wird. Hanno Ohletz, der Lehramtsstudent aus Münster,
war in Göttingen dabei und rauft sich noch immer die
Haare. Die Taliban durch Polizei oder zivile Aufbauhelfer
vertreiben? Das ginge doch gar nicht, meint er und erhält
Unterstützung von Claudius Rafflenbeul-Schaub aus dem
Kreisverband Düsseldorf. Der heute dreißig Jahre
alte Grüne leistete seinen Grundwehrdienst beim Stabs-
und Fernmeldebataillon 820 - damals half ihm eine Bescheinigung
der Partei, heimatnah eingesetzt zu werden.
Ströbele hat "ganz gut geschossen"
Auch Rafflenbeul-Schaub hält den Göttinger Parteitag,
den er ebenfalls als Gast besuchte, für einen Rückschlag
- und würde es sogar gutheißen, wenn deutsche Soldaten
den Amerikanern bei deren Anti-Terror-Operation in Süd-Afghanistan
unter die Arme griffen. Andere sind kritischer, etwa Fritz
Mauk, der als Oberst der Reserve im Rat des niedersächsischen
Ortes Apensen sitzt - mit grünem Parteibuch. Wenn man
ihn übrigens fragt, ob das Häuflein grüner
Soldaten eigentlich miteinander in Kontakt steht, muss er
nicht lange überlegen: Nein, ein Netzwerk gebe es nicht.
Könnte es aber: Angelika Beer würde sicher mitmachen.
Sie heiratete einen Offizier, ist heute Europaabgeordnete
und zieht bei Wehrübungen sogar selbst Uniform an. Mit
dabei wäre auch Winfried Nachtwei, verteidigungspolitischer
Sprecher der Bundestagsgrünen, von 1965 bis 1967 bei
der Luftwaffe. Zufrieden sagt der Leutnant der Reserve über
seine jungen Parteifreunde: "Die laden sogar Jugendoffiziere
zu Powerpoint-Präsentationen ein. Das wäre bei den
Altgrünen völlig undenkbar."
Ehrenmitglied des Clubs "Grüne-bei-der-Bundeswehr"
könnte Hans-Christian Ströbele werden, ausgerechnet.
Schließlich wurde er 1960 als einer der ersten Jahrgänge
zur Bundeswehr eingezogen, kam zur Luftwaffenflak Ostfriesland
in Aurich, ging allerdings als einfacher Kanonier der Reserve
ab, weil er die Beförderung zum Gefreiten wegen Ungerechtigkeiten
in der Einheit abgelehnt hatte - was, wie er sagt, deswegen
hart gewesen sei, weil er so auf 15 Mark Sold im Monat zusätzlich
verzichtet habe. Man traut seinen Ohren kaum, wenn er erzählt:
"Ich habe ganz gut geschossen und dafür auch Auszeichnungen
bekommen." Wenn es einen jungen Grünen heute zur
Bundeswehr dränge, dann würde auch Ströbele
ihm das nicht verbieten wollen. Er meint aber: "Die Bundeswehr
eine Armee voller Grüner ist eine verrückte Vorstellung."
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