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Süddeutsche
Zeitung (13. September 2002)
Die Bundestagskandidaten des Wahlkreises 225 im
persönlichen Profil: Claudius Rafflenbeul-Schaub aus
Rottach-Egern
Ein Grüner, der Willy Brandt als politisches Vorbild
hat
Trotz seiner relativ geringen Chancen ist der diplomierte Volkswirt
rastlos im Elektromobil auf Wahlkampf
Von Thomas Miesbach
Rottach-Egern - Mit 25 Jahren den Schritt
in die große Politik anstreben - das ist keine gewöhnliche
Lebensplanung. Claudius Rafflenbeul-Schaub aus Rottach-Egern
am Tegernsee hat sich dazu entschlossen, für die Grünen
bewirbt er sich um ein Bundestagsmandat. Dass er am 22. September
tatsächlich in den Bundestag einzieht, ist zwar höchst
unwahrscheinlich. Dennoch macht Rafflenbeul-Schaub keineswegs
den Eindruck eines Alibi-Kandidaten. Seine Positionen vertritt
er sehr entschieden und wirbt für die Grünen um
die Zweitstimme der Wähler im Wahlkreis 225 Miesbach-Bad
Tölz/Wolfratshausen-Starnberg. Mit wachem Blick fixiert
er seine Gesprächspartner, mit Nachdruck vertritt er
seine Argumente. Jemand, der weiß, was er will, denkt
man sich als Gegenüber, jemand, der seine Entwicklung
zielstrebig verfolgt, jemand, der für sein Alter sehr
weit ist.
Nicht zufrieden
Rafflenbeul-Schaub ist kein Ideologe, kein Polemiker. Wo
andere in seinem Alter zu pauschalen Verurteilungen neigen,
vertritt er klare Vorstellungen, was konkret zu tun sei. So
bei der Umweltpolitik. Einerseits hebt er die Erfolge der
Grünen in der Bundesregierung hervor, Ökosteuer,
Klimaprogramm, Bundesnaturschutzgesetz und die Einführung
des Bio-Siegels hätte das Umweltministerium unter dem
grünen Minister Jürgen Trittin durchgesetzt. Doch
gibt er sich damit nicht zufrieden. Es genüge nicht,
Fehlverhalten durch das Anziehen der Steuerschraube zu bestrafen.
"Wir müssen hier die Subventionen abbauen, alle
ökologisch schädlichen Vergünstigungen müssen
gestrichen werden", für den Kohlebergbau etwa. Die
Steuerfreiheit für Flugbenzin stelle eine Wettbewerbsverzerrung
zuungunsten der Bahn dar, "das muss aufhören".
Mit Feindbildern argumentiert Rafflenbeul-Schaub dabei nicht.
Im gefällt, dass beim Atomausstieg die Industrie mittlerweile
auf Seiten der Grünen steht. Ein Reformer, kein Revoluzzer.
"Die Grünen waren in den vergangenen Jahren der
Reformmotor der Bundesregierung", sagt er, damit das
so bleiben könne, müssten sie in der kommenden Wahl
gestärkt werden. Als pragmatisch bezeichnet Rafflenbeul-Schaub
seinen Zugang zur Politik. Nicht dass ihn grundsätzliche
Fragen nicht beschäftigten. Aber es seien die zu lösenden
Probleme, die ihn in die Politik und zu den Grünen gebracht
hätten. Innerparteiliche Flügelkämpfe wie früher
zwischen Realos und Fundis sind seine Sache nicht. "Gerade
wir Jüngeren sind mit ganz anderen Themen konfrontiert
als die Grünen der ersten Jahre, etwa mit der Arbeitslosigkeit.
Wir wollen Lösungen finden." So verbindet er zum
Beispiel das urgrüne Anliegen, die Umwelt zu erhalten,
mit lebendigem, von Fachwissen geprägtem Interesse an
der Ökonomie.
Aus einer Unternehmerfamilie stammend, hat Rafflenbeul-Schaub
Volkswirtschaft studiert. Kürzlich erst hat er seine
Diplomarbeit abgegeben. Ihr Thema charakterisiert zugleich
seine Position. "Es ging um Wirtschaftswachstum und Umweltstandards,
eine empirische Arbeit, die die Umweltverschmutzung als Wohlstandsindikator
untersucht." Die Frage war, wie in ärmeren Ländern,
die die Natur nolens volens stark verschmutzen, sich das Wachstum
der Volkswirtschaft auf die Umwelt auswirkt. Ergebnis: "Es
ist möglich, Wachstum zu erzeugen und dabei die Umwelt
zu schonen." Das bestätigt das Credo, das Rafflenbeul-Schaub,
wie viele perspektivisch denkende Vertreter der der Wirtschaft,
verficht: Ökologie ist langfristige Ökonomie.
Gesamtgesellschaftlich mag dieses Motto noch eher ein Imperativ
sein, Rafflenbeul-Schaub hingegen lebt die Verbindung von
Unternehmergeist und politischem Engagement für den Erhalt
der Lebensgrundlagen. Sein Weg in die Leitung eines mittelständischen
Unternehmens ist vorgezeichnet, mittelfristig wird er wohl
mit seinem Bruder den elterlichen Zeitschriftenvertrieb leiten.
Und sein Einsatz für Ökologie, für eine Politik,
die für die Zukunft alternative Modelle sucht, dokumentiert
sich in seiner nun schon über sieben Jahren währenden
Aktivität bei den Grünen.
Neue Erfahrung
Schon vor seiner Nominierung zum Bundestagskandidaten war
ihm klar, dass er sich im Bundestagswahlkampf für seine
Partei einsetzen würde. "Und warum sollte ich das
nur für die Partei tun und nicht als Kandidat gleich
für mich selbst werben?" So exponiert sich der agile,
drahtige Rafflenbeul-Schaub nun wie nie zuvor, indem er sich
um ein derart hohes öffentliches Amt bewirbt. Sich hinstellen
und sagen: ich bin euer Mann, das sieht er durchaus als neue
persönliche Erfahrung.
Das ihm der Sprung in die große Politik vorerst wohl
nicht gelingen wird - das Direktmandat ist unerreichbar, und
um mit dem für einen Newcomer exzellenten Listenplatz
zwölf in den Bundestag zu kommen, müssten die bayerischen
Grünen kaum vorstellbare zwölf Prozent einfahren
-, beirrt ihn weiter nicht. Der Bundestagskandidat wird sich
zunächst auf eigene Füße stellen, Berufserfahrung
sammeln. Für später kann er sich gut vorstellen,
als Quereinsteiger aus der Wirtschaft in die Politik zu gehen.
Aber alles auf eine politische Karriere zu werfen, liegt ihm
fern, Berufspolitiker will Rafflenbeul-Schaub nicht werden.
In seiner bisherigen politischen Laufbahn hat er genügend
Kontakte nach Berlin aufgebaut, um zu wissen, dass viele der
Berufspolitiker, die nicht wiedergewählt werden, in ein
tiefes Loch fallen. "Ich will nicht in Abhängigkeit
geraten. Die Möglichkeit, in den Beruf zurück zu
können, möchte ich mir immer offen halten."
Rafflenbeul-Schaub will sich den Spielraum bewahren. Er will
gestalten.
Deshalb ärgert ihn, wenn Reformprojekte, die er für
sinnvoll hält, gebremst werden. Den ökologischen
Landbau sieht er da als Beispiel. 20 Prozent Bio-Anteil an
der Landwirtschaft, eine Marke, die im Landkreis Miesbach
schon erreicht ist, wollen die Grünen bundesweit erreichen.
"Dagegen wollen Stoiber und sein Schattenminister Carstensen
wieder die Agrarindustrie mit ihrer starken Lobby fördern."
Eine solche Umkehr hält er für eine Katastrophe.
"Gerade bei uns ist intensive Landwirtschaft doch großteils
gar nicht mehr möglich, noch dazu in Verbindung mit dem
Tourismus". Und Rafflenbeul-Schaub schlägt gleich
den Bogen zur globalen Wirtschaft: "Dort können
wir nicht durch Masse, sondern nur durch Qualität konkurrieren,
mit hochwertigen ökologischen Produkten."
Auszeit für Wahlkampf
Politik hin oder her - im November stehen für Rafflenbeul-Schaub,
der als Hobbys neben Musik und Lesen verschiedene Sportarten
nennt, erst noch die mündlichen Prüfungenan der
Uni an. Während sich aber manche andere Absolventen kopfüber
in die Vorbereitungen stürzen, hat er sich für die
Politik eine Auszeit genommen und macht Wahlkampf. Dass er
von seinen Parteifreunden in allen drei Landkreisen einstimmig
zum Kandidaten gewählt wurde, liegt aber keineswegs nur
an der vielen Zeit, die er dafür, von Prüfungsangst
offensichtlich nicht sehr belastet, einbringt. Schlichtweg
für einen Glücksfall hält ihn Wolfgang Rzehak,
[Kreisrat] der Miesbacher Grünen: "Sein Engagement
und sein Fleiß sind einmalig, und er hat ein enormes
Wissen - ein echter Profi. Die drei Kreisverbände haben
gleich erkannt, was sie an ihm haben, und ihn zum Kandidaten
gemacht." Zudem übernimmt Rafflenbeul-Schaub ein
Zehntel der Kosten für den Wahlkampf, der er, mit den
Kreisverbänden, ehrenamtlich organisieren muss - für
die etablierten Bundespolitiker macht das ein eigens Büro.
So zieht Rafflenbeul-Schaub, der aus dem Stegreif druckfrei
zu formulieren versteht, seit Juli im Straßenwahlkampf
durch die Lande, mit einem Elektroauto, das ein Solarunternehmer
zur Verfügung stellt. Ökologisches Isar-Rafting,
Segeln mit Jürgen Trittin auf dem Ammersee, eine Isarbegehung
mit Rezzo Schlauch - das waren Höhepunkte des Wahlkampfes,
ein Besuch von Renate Künast am 14. September in Holzkirchen
soll noch folgen. Keinen der grünen Spitzenpolitiker
aber nennt Rafflenbeul-Schaub, wenn man ihn nach einem politischen
Vorbild befragt, auch niemanden aus der Gründerriege
der Partei, die ihm politische Heimat ist. Sondern Willy Brandt:
ein Politiker, den er dafür bewundert, dass er seine
politische Vision auch in der Regierung umgesetzt hat, der
für Reformen steht. "Er hat den Weg gefunden zwischen
der Vision und ihrer Umsetzung. Beides ist in der Politik
notwendig."
Was sagen Sie zum Thema...
Edmund Stoiber: Er ist für mich ein
national-konservativer Politiker, der nicht Bundeskanzler
werden sollte.
Irak: Den Krieg, den die USA gegen den Irak
planen, lehnen wir aus guten Gründen ab, weil wir denken,
dass Saddam Hussein nichts mit dem internationalen Terrorismus
und dem fundamentalen Islam zu tun hat.
Jungwähler: Die will ich als junger
Kandidat für die Grünen gewinnen.
Neue Armut: ...werden wir in Deutschland
bekämpfen unter anderem mit dem Konzept einer Kinder-Grundsicherung
und auch der Grundsicherung für alte Menschen, die wir
in der vergangenen Legislaturperiode durchgesetzt haben.
Hartz-Vorschläge: ...sind sinnvoll
und werden hoffentlich nach der Wahl durchgesetzt.
Familie: ...ist für uns Grüne
ein wichtiges Thema, das wir nicht den Konservativen überlassen
wollen. Im Mittelpunkt stehen für uns Kinder, unabhängig
vom Trauschein der Eltern.
Tourismuskrise: ...wollen wir durch ein
Konzept des sanften Tourismus, des Öko-Tourismus, bekämpfen.
Große Koalition: ...wäre der
Stillstand für Deutschland.
Rechtsextreme: Ihnen haben wir mit dem Bündnis
für Toleranz und Demokratie einiges entgegen gesetzt
in der vergangenen Legislaturperiode.
Johannesburg: Die Konferenz hat in den Mittelpunkt
gerückt, dass unsere Umwelt-, Wirtschafts- und sozialen
Probleme globale Probleme sind, die man nur durch eine gestärkte
UNO und verstärkte internationale Zusammenarbeit lösen
kann.
Teuro: Ich denke, dass die Hysterie inzwischen
abgeebbt ist und dass der Euro erfolgreich ist.
Arbeitsunwillige Arbeitslose: ...sollten
stärker unter Druck gesetzt werden, eine Arbeit anzunehmen.
Politikverdrossenheit: ...ist ein Problem,
das ich mit mehr direkter Demokratie, also Volksentscheid
auf Bundesebene, lösen möchte.
Wirtschaftsflaute: ...ist durch die Weltwirtschaft
bedingt, der Staat kann hier nur Rahmenbedingungen schaffen.
Ich denke, dass es im nächsten Jahr wieder bergauf geht.
Straßenbau: ...ist für uns Grüne
ein Thema, das wir gleichberechtigt mit dem Schienenbau sehen
wollen.
Chancen der Grünen: Da bin ich für
die Bundestagswahl optimistisch: acht Prozent plus x.
Kommunale Finanznot: ...muss dringend angegangen
werden, unabhängig davon, wer in der nächsten Bundesregierung
sitzt.
Wahlabend: Den werde ich auf der Wahlparty
des Landesverbandes der Grünen in München verbringen.
Der Weg von der Jungen Union in die Ökopartei
Der geborene Bayern, der in Düsseldorf aufgewachsen
ist und aus einer mittelständischen Unternehmerfamilie
stammt, ist mit 17 Jahren zu den Grünen gekommen
Rottach-Egern - Den bayerischen Dialekt,
den man hierzulande von ihm erwarten würde, hat der gebürtige
Rottach-Egerner Claudius Rafflenbeul-Schaub in Düsseldorf,
wo er aufgewachsen ist, nicht lernen können. Im Ruhrgebiet
haben seine Eltern einen Zeitungen- und Zeitschriften-Großhandel,
im Familienbesitz seit Weimarer Tagen. Seine Mutter war im
Kindesalter an den Tegernsee gekommen. In dem Haus, wo sie
aufwuchs, lebt jetzt auch Rafflenbeul-Schaub. Das politische
Interesse liegt schon in seiner Familie. Als typische Vertreter
der 68er-Generation bezeichnet Rafflenbeul-Schaub seine Eltern,
aber eben mit dem Hintergrund, dass sie mittelständischen
Unternehmerfamilien entstammen.
Wegen Willy Brandt sei sein Vater in die SPD eingetreten,
wegen Lafontaine habe er sie - auch das typisch für viele
Vertreter der 68er-Generation, dann auch wieder verlassen.
Rafflenbeul-Schaubs Bruder war in der CDU aktiv, was aber
das Einvernehmen unter den Geschwistern nicht beeinträchtigt
hat. Seinen eigenen politischen Standpunkt hat der grüne
Bundestagskandidat, der seit Geburt konfessionslos ist, in
den Düsseldorfer Jahren entwickelt. Dass er dabei zunächst
in der Jungen Union war, ist ihm heute nicht weiter unangenehm.
Mit 14 Jahren sei er einfach seinem älteren Bruder dorthin
gefolgt, eine Frage der Sozialisation, nicht der Einstellung.
Mit politischen Inhalten habe er sich ernsthaft erst danach
befasst. Entscheidend sei dabei die Auseinandersetzung mit
der jüngeren deutschen Vergangenheit im Leistungskurs
Geschichte gewesen, sagt Rafflenbeul-Schaub. Dass seine politische
Heimat bei den Grünen liegt, sei ihm bei einer Podiumsdiskussion
in seiner Schule klar geworden, an der die örtlichen
Kandidaten aller Parteien teilnahmen. Im Anschluss daran,
mit 17 Jahren, trat er bei den Grünen ein. Unter anderem
als Koordinator der Jungen Grünen Düsseldorf erwarb
er sich seine ersten politischen Sporen.
Dass er kommunalpolitisch stark in Düsseldorf verankert
war, ist ein Grund, dass Rafflenbeul-Schaub direkt den Weg
in den Bundestag anstrebt und nicht etwa erst im Oberland
politische Erfahrung als Amtsträger sammeln möchte.
"Die kommunalpolitischen Themen sind eben doch ganz andere,
obwohl ich mich hier jetzt gut auskenne und am Tegernsee verwurzelt
bin. Die Bundespolitik dagegen ist überall gleich."
Die alte Heimat Bayern wurde Rafflenbeul-Schaubs neue, als
er 1997 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München
Volkswirtschaft zu studieren begann. Das Engagement für
seine Partei setzte der Kandidat, der seit vier Jahren fest
liiert ist, in München fort. Er saß für die
Grüne Hochschulgruppe im Studentischen Konvent der Uni,
war Vorsitzender der Münchner Grünen Jugend und
gehörte dem Landesvorstand der Grünen Jugend Bayern
an. Außerdem ist Rafflenbeul-Schaub Delegierter im Länderrat
der Grünen, dem "Kleinen Parteitag" der unter
dem Bundesvorstand und dem Parteirat rangiert.
th m
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