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Süddeutsche Zeitung (10. August 2002)
Über Tücken und Strapazen des Wahlkampfs
Wahlkampf ist heute auch nicht mehr so einfach wie früher.
Seinerzeit gingen die Bürger auf Veranstaltungen der
Parteien und hörten sich an, was die Kandidaten zu sagen
hatten. Dieses simple Prinzip funktioniert heute bloß
noch bei Kanzlerkandidat Edmund Stoiber.
Wahrscheinlich klappt es bei ihm auch deshalb so gut, weil
er seine Gedanken immer in Fußballbildern vermittelt.
Die übrigen Kandidaten müssen daher auf andere Sportarten
oder gar in die Kunst ausweichen und plagen sich furchtbar,
um den Wähler nicht zu langweilen. Klaus Barthel zum
Beispiel malte diese Woche bei strömenden Regen in Bad
Tölz ein Bild, obwohl er eigentlich noch nie durch künstlerische
Ambitionen aufgefallen ist. Bislang wusste man aus früheren
Wahlkämpfen bloß, dass er gerne wandert und sich
dabei tiefsinnig mit der Bergwacht unterhält. Zum Glück
berücksichtigt die SPD die besondere Stärke ihres
Kandidaten auch und startet nächste Woche die Kampagne
"Mit links bergauf".
Ilse Aigner eilte am Donnerstag ins Wolfratshauser Krankenhaus
und ließ sich über die Tücken der ab 2003
geltenden Fallpauschalen aufklären, was sie natürlich
auch durch Zeitungslektüre hätte erfahren können.
Ansonsten ist ihr Konzept ein einfaches: Sie steht vor, hinter
oder neben Stoiber - sagte sie jedenfalls bei der Großkundgebung
in Geretsried - auf jeden Fall gern da, wo ein Fotograf auftaucht.
Die Grünen raften ökologisch auf der Isar - sehr
schick die Schwimmwesten - oder laden zu Kaffee und selbst
gebackenen Kuchen in die eigenen vier Wände ein, immer
in der Hoffnung, dass sich die Leute irgendwann den Namen
ihres Kandidaten merken können. Er heißt Claudius
Rafflenbeul-Schaub und sagte gleich bei der ersten Pressekonferenz,
dass er sich eh nicht viel ausrechnet. So viel Ehrlichkeit
ist auch schwer zum Aushalten. Übrigens kurvt er nächste
Woche mit dem "Claudius-Mobil" durch den Landkreis
Miesbach. Gut, die Idee ist schon ein bisschen abgegriffen.
Aber nachdem Guido bei uns nicht rumfährt, wird die FDP
wohl keine Einwände gegen die Nutzung liberalen Gedankenguts
haben. Außerdem ist sie damit beschäftigt, in Bad
Tölz auf die Ankunft des springenden Möllemanns
zu warten.
Was mit den politischen Inhalten ist? Die Wirtschaft ist
jedenfalls wichtig und die Arbeitsplätze. Bildung sowieso.
Umwelt auch. Das muss jetzt aber an trockenen Details wirklich
reichen. Schließlich wollen wir niemanden langweilen.
Sabine Reithmaier
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