Abendzeitung (15. November 2001)
Student 2001: Büffeln im Hörsaal statt Straßen-Kampf
Die letzte Demo an der Uni liegt schon fast vier Jahre
zurück
VON NADINE NÖHMAIER
"Die Masse der Studenten ist obrigkeitshörig und
unkritisch", schimpft Philip Bauer. Seit einem Jahr vertritt
der Geschichtsstudent (30) als Asta-Vorstand die Studenten
der LMU.
Bei den letzten Hochschulwahlen hatte sich Bauers Lista
Asta und Fachschaften (LAF) gegen sieben andere Gruppen -
gebildet aus Fachschaften und Parteien - mit einer Mehrheit
von 53,17 Prozent durchgesetzt. Kleiner Schönheitsfehler:
Nur elf Prozent aller Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab.
Im Jahre 19989 waren immerhin noch 21,2 Prozent der Studenten
zur Wahl gegangen. 1994 schrumpfte die Beteiligung auf 16,1
Prozent, 1999 waren es nur noch 14,2 Prozent.
Alles Indizien für einen Trend hin zur Politik-Verdrossenheit
an der LMU? Claudius Rafflenbeul-Schaub von der grünen
Hochschulgruppe glaubt, die Münchner Studenten seien
nur zu uninformiert - und vom Asta frustriert: "Die linksradikalen
Parolen des Asta schrecken die meisten Studenten von Hochschulpolitik
ab", sagt er.
Auch Maximilian Freier von der Fachschaft Wirtschaftswissenschaften,
dessen Wahlbündnis mit anderen Hochschulgruppen bei den
Wahlen die zweitmeisten Stimmen kassierte, kritisiert die
Studenten-Vertretung: "Der Asta interessiert sich nur
für die große Politik. Zur Hochschulpolitik gehören
aber auch das Semester-Ticket oder das Mensa-Essen."
Asta-Chef Bauer kennt diesen Vorwurf: "Hochschulpolitik
ist untrennbar mit allgemeiner Politik verknüpft",
wehrt er sich. "Wenn wir darüber reden, wie der
Wohnungsnot der Studenten zu begegnen ist, müssen wir
auch über den allgemeinen Wohnungsbau sprechen dürfen."
Deshalb kämpft der Asta gegen Rassismus innerhalb und
außerhalb der Universität - und gegen Burschenschaften.
Die Asta-Aktivisten verteilen Flugblätter gegen den Holocaust
und organisieren Hand in Hand mit dem Bündnis gegen Rassismus
Demonstrationen gegen den Krieg in Afghanistan.
Seit Jahren setzt sich Bauer auch für die Umbenennung
der LMU in GSU (Geschwister-Scholl-Universität) ein:
"Identifikationsfiguren sind die Geschwister Scholl.
Irgendwelche Ludwigs oder Maximilians kennt hier keiner mehr",
ist er überzeugt.
Trotz aller politischer Aktivitäten: Die letzte Demonstration
an der LMU ist inzwischen fast vier Jahre her. Im Wintersemester
1997/98 gingen im Rahmen der bundesweiten Hochschul-Streiks
auch tausende Münchner Studenten auf die Straße,
um sich gegen die Sparpolitik an den Universitäten zu
wehren.
Das Ergebnis war zwiespältig: Zwar lobten Professoren
und Politiker aller Coleur die Studenten für ihr Engagement
- ändern wollten sie an den angeprangerten Missständen
jedoch nichts
Die reinste Wahrheit quillt aus des Professors Mund
Auch ein Grund für politisches Desinteresse, glaubt
Rafflenbeul-Schaub: "Man kann nur äußerst
schwer etwas bewegen. Warum sollte sich also jemand aktiv
in die Hochschul-Politik einmischen?" Dorothee Mantel
vom RCDS Bayern, der CSU-Hochschulgruppe, ist sich sogar sicher:
"Die Leute, die engagiert sind, bemühen sich, schnell
zu studieren, damit sie einen Arbeitsplatz bekommen."
Dass die meisten Studenten gar nichts hinterfragen wollen,
glaubt AStA-Vorstand Bauer: "Sie nehmen an, dass die
Wahrheit in ihrer reinsten Form aus dem Mund der Professoren
oder der Hochschulleitung quillt."
Nur ein Beispiel: Der AStA verteilte im Rahmen einer Aktion
gegen die Rasterfahndung einen gefälschten Fragebogen
an Münchner Studenten, der mit einem offiziellen LMU-Stempel
versehen war.
Die Studenten wurden aufgefordert, Fragen wie "Hatten
Sie in den letzten drei Generationen arabische Vorfahren?"
oder "Haben Sie einen Pilotenschein?" zu beantworten.
Bauer konnte es nicht fassen: "Einige Studenten haben
das doch tatsächlich ausgefüllt!"
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