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Offenburger Tageblatt (15. Juni 2000)
"Militär ist nicht allen Grünen mehr grün"
Bundeswehr und Wehrpflicht waren die Themen beim letzten
Grünen-Stammtisch / Oberstleutnant legte seine Sicht
dar
Wie geht es mit der Bundeswehr weiter? Ist die Wehrpflicht
noch aktuell? Beim Grünen-Stammtisch am Dienstag diskutierte
Oberstleutnant Bernd Hacker im Spitalkeller über dieses
brisante politische Thema.
von Michael Haß
Offenburg. Hacker, Mitglied des Arbeitskreises "Darmstädter
Signal", einer Gruppe von rund 200 Zeit- und Berufssoldaten,
die sich 1983 gegen die Nato-Nachrüstung zusammengetan
haben, ist sich sicher: "Bevor man Konzepte erstellt,
ist es wichtig zu wissen, wozu man die Bundeswehr überhaupt
braucht." Vier Kommissionen beschäftigen sich derzeit
mit dem Thema. Neben der Weizsäcker-Kommission arbeiten
auch Verteidigungsminister Rudolf Scharping, der Deutsche
Bundeswehrverband und eine Friedensforschungsintitiative an
einer neuen Konzeption. Einzig die Weizsäcker-Kommission
habe eindeutig Stellung zur grundsätzlichen Aufgabe der
Bundeswehr bezogen. Demnach dient diese nicht nur der Landesverteidigung,
sondern ist auf humanitäre Intervention ausgerichtet.Dabei
betont Hacker, der als Minenräumspezialist in Bosnien
im Einsatz war, dass neben der Landesverteidigung auch die
Bündnisverteidigung eine wichtige Rolle spiele.
Wie? - völlig unklar!
"Im Prinzip soll die Bundeswehr für zwei mittlere
Konflikte längerfristig ausgerichtet sein." Wie
dies erreicht werden soll, sei noch völlig unklar. Die
Grünen fordern die Abschaffung der Wehrpflicht und eine
Verkleinerung der Bundeswehr auf 200 000 Soldaten. SPD-Verteidigungsminister
Scharping will die Truppenstärke nur um 43 000 auf 277
000 senken und die Wehrpflicht um vier Wochen auf neun Monate
reduzieren. "Dass die Bundeswehr eine wichtige Rolle
in unserem Staat spielt, haben auch Grünen-Politiker
längst erkannt", so Claudius Rafflenbeul-Schaub,
Mitglied des bayerischen Landesvorstandes der Jugendgrünen.
"Politiker wie Angelika Beer haben sich in dieser Meinung
um 180 Grad gewandelt."
Frauen an die Waffen
Dass ab 2001 Frauen an die Waffen dürfen und damit
alle Laufbahnen in der Bundeswehr offen stehen, sieht Hacker
als eine Entwicklung der Gleichberechtigung. "Probleme
entstehen dann, wenn der Bundesgerichtshof auch Frauen zum
Wehrdienst auffordert." Auf mögliche Schwierigkeiten
antwortet Hacker recht lapidar: "Wenn Frauen zur Bundeswehr
gehen wollen, soll man sie lassen, denn zu Hause werden sie
auch vergewaltigt." Einem Zuhörer war der Einsatz
der Bundeswehr in Bosnien und Kosovo zu rasch. Warum kann
man sich nicht wie die Schweiz aus solchen Konflikten raushalten?
"Weil alle Welt gefordert hat, dass die ethnische Vertreibung
aufhören müsse", antwortet Hacker und fügt
hinzu: "Mit gutem Zureden kam man nicht mehr weiter."
Doch um weiter im Auftrag der Menschenrechte dienen zu können,
müsse investiert und nicht gespart werden. "Wir
brauchen keine neuen Waffen, sondern Kommunikations- und
Transportmittel." Die Umstrukturierung der Bundeswehr kostet Geld. Der
Stammtisch der Grünen hat gezeigt, dass nicht nur in den Fraktionen
die Meinungen zur Bundeswehrreform konträr sind. Auch
an der Basis ist man sich über die zukünftige Rolle
der Bundeswehr noch unklar. Claudius Rafflenbeul-Schaub: "Hier
muss noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden."
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