SPUNK Ausgabe 31
Alle könnten vom Freihandel profitieren
Die Wirtschaftswissenschaft ist sich einig: Freier
Handel führt zu Wohlfahrtsgewinnen. Der Politik ist es
überlassen, diese Gewinne gerecht zu verteilen - doch
es macht keinen Sinn, den Freihandel prinzipiell abzulehnen.
VON CLAUDIUS RAFFLENBEUL-SCHAUB
Globalisierung ist kein neues Phänomen. Schon zum Ende
des 19. Jahrhunderts erlebte die Welt eine Hochphase der wirtschaftlichen
Integration. So hatte der weltweite Güterhandel (Exporte
und Importe) vor dem ersten Weltkrieg einen höheren Anteil
an der weltweiten Produktion als noch bis in die späten
70er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein. Zum ersten Weltkrieg
setzte jedoch eine Phase der Renationalisierung ein. Erst
nach dem zweiten Weltkrieg und der Befreiung Westeuropas durch
die USA kam es durch das GATT, dem Vorläufer der WTO,
wieder zu einer stärkeren Öffnung der Märkte.
Wohlfahrtswirkungen von Freihandel
Nach der "neuen Außenhandelstheorie", die
von Paul Krugman, Joseph Stiglitz und anderen linken Ökonomen
Ende der 70er Jahre entwickelt wurde und auf der realistischen
Annahme eines unvollkommenen Wettbewerbs beruht, kommt es
bei freiem Handel zu gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsgewinnen.
Sie entstehen einmal durch den gestiegenen Nutzen der Verbraucher,
die durch Importe aus anderen Ländern eine größere
Vielfalt an Konsumgütern zur Auswahl haben. Weiterhin
kommt es zu einer Steigerung der Reallöhne, weil die
Preise der Konsumgüter durch den weltweiten Wettbewerb
stärker fallen, als die Löhne der Beschäftigten.
Woher kommt der massiven Widerstand gegen die Globalisierung?
So konnte zum Beispiel der rechtspopulistische Multimillionär
Ross Perot mit der Ablehnung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens
NAFTA und seiner These vom "giant sucking sound"
im US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 1992 fast
20 Prozent der Stimmen erreichen. Er behauptete, dass durch
die mexikanische Billigkonkurrenz Jobs vernichtet werden.
Die hohe Zustimmung ist damit zu erklären, dass nicht
alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen von der
Globalisierung profitieren. Nach der "neoklassischen
Außenhandelstheorie", die den Handel zwischen unterschiedlichen
Ländern (reichen Industriestaaten und armen Entwicklungsländern)
beschreibt, gibt es Gewinner und Verlierer - sowohl innerhalb
einzelner Länder, als auch global betrachtet. So kann
es zum Beispiel sein, dass hoch qualifizierte Arbeitskräfte
in den Industriestaaten vom Außenhandel (oder auch Einwanderung)
profitieren, gleichzeitig aber gering qualifizierte Arbeiter
in den Industriestaaten Reallohnverluste hinnehmen müssen,
während wiederum die Arbeiter in den Entwicklungsländern
von steigenden Löhnen profitieren. Insgesamt sind die
Gewinne größer als die Verluste, das heißt
durch eine kompensierende Umverteilung (also einen funktionierenden
Sozialstaat oder Transferzahlungen zwischen armen und reichen
Ländern) können potentiell alle Menschen vom Freihandel
profitieren.
"Global Governance"
Um Marktversagen zu korrigieren braucht es nach ordnungspolitischer
Vorstellung den regulierenden Eingriff der Politik. Deswegen
müssen auf internationaler Ebene multilaterale Institutionen
- wie die Vereinten Nationen und ihre Sonderorganisationen
- gestärkt werden, die für die Einhaltung von Umwelt-
und Sozialabkommen, ein internationales Kartellrecht und die
Nicht-Diskriminierung einzelner Länder Sorge zu tragen
haben. Die Europäische Union als supranationales Staatengebilde
kann hierbei als Vorbild für die weitere politische und
wirtschaftliche Integration der "einen Welt" dienen.
Claudius (24) studiert Volkswirtschaftslehre an der Universität
München und war im Landesvorstand der Grünen Jugend
Bayern
WEITERLESEN:
Paul Krugman: "Der Mythos vom globalen Wirtschaftskrieg",
Campus Verlag, 1999
IM INTERNET: www.mit.edu/people/krugman
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