Basisbrief 3/2001
Mehr Demokratie wagen - jetzt!
von Claudius Rafflenbeul-Schaub, Landesvorstand Grüne
Jugend Bayern
"Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie
wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere
Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der
Rechtsprechung ausgeübt." (Grundgesetz Artikel 20
Absatz 2)
In Bayern haben wir auf Landesebene und in den Kommunen
inzwischen reichhaltig Erfahrungen mit Volksentscheid und
Bürgerbegehren sammeln können. Im Bund hingegen
ist unser demokratisches System nach wie vor auf das repräsentative
Element reduziert. Die Realisierung des dem Volke in der Verfassung
garantierten Abstimmungsrechtes steht noch aus.
SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben nach der gewonnenen
Bundestagswahl 1998 in ihrer Koalitionsvereinbarung beschlossen,
dass sie in dieser Legislaturperiode die demokratischen Beteiligungsrechte
der Bürgerinnen und Bürger stärken und dazu
auf Bundesebene Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid
durch Änderung des Grundgesetzes einführen wollen.
Dreistufige Volksgesetzgebung
Um diesem guten Vorsatz Nachdruck zu verleihen hat der Verein
Mehr Demokratie im Mai, zum 52. Jahrestag des Grundgesetzes,
in 20 deutschen Großstädten seine Initiative "Menschen
für Volksabstimmung" gestartet. Die Initiative wird
durch ein breites gesellschaftliches Bündnis von über
65 Verbänden – darunter die Grüne Jugend –
unterstützt. Ziel von Mehr Demokratie ist es die dreistufige
Volksgesetzgebung im Grundgesetz zu verankern.
Der Vorschlag von Mehr Demokratie sieht vor, dass 100.000
Stimmberechtigte eine Volksinitiative in Form eines konkreten
Gesetzentwurfes starten können. Falls der Bundestag sich
der Volksinitiative nicht anschließt, müssen innerhalb
eines halben Jahres mindestens eine Million Unterschriften
für ein erfolgreiches Volksbegehren vorgelegt werden
(die grüne Bundestagsfraktion empfiehlt in einem aktuellen
Eckpunktepapier eine Mindestzahl von 1,5 Millionen Unterschriften).
Dann kommt es zur Abstimmung per Volksentscheid, wobei der
Bundestag die Möglichkeit hat einen Alternativvorschlag
zur Abstimmung zu stellen. Auch über internationale Verträge
soll das Volk abschließend entscheiden können.
Grundrechts- und Minderheitenschutz
Von grüner Seite wird gefordert, dass der Inhalt eines
Volksbegehrens dem Grundrechts- und Minderheitenschutz der
Verfassung entsprechen muss (Stichwort: Verbot der Todesstrafe)
und, ebenso wie das Parlament, den Beschränkungen des
Grundgesetzes und der Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht
unterliegt. Skeptiker in der Partei hatten ihren Bedenken
bezüglich der Gefahr der Instrumentalisierung der direkte
Demokratie für populistische Kampagnen zuletzt auf der
Magdeburger Bundesdelegiertenkonferenz Ausdruck verliehen,
was auch seinen Niederschlag im Bundestagswahlprogramm 1998
fand.
Neben den Parteien der Bundesregierung unterstützen
auch die FDP und die PDS das Anliegen mehr direkter Demokratie
durch Volksabstimmungen. Da für eine Änderung des
Grundgesetzes aber eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag notwendig
ist, kommt es entscheidend auf die Zustimmung durch die CDU/CSU
Abgeordneten an. Deswegen ist zu erwarten, dass man sich letztendlich
auf eine fraktionsübergreifenden Kompromiß einigen
wird, der wahrscheinlich eine Hürde in Form eines bestimmten
Zustimmungsquorums für den Volksentscheid enthalten wird.
Die Chance für die Grundgesetzänderung waren noch
nie so gut wie heute. Es wäre wünschenswert, dass
sich die grüne Partei ihrer demokratischen Tradition
besinnt und sich wieder stärker als Reformmotor für
die Durchsetzung von mehr Demokratie profiliert. Der neue
Sprecher für Demokratiepolitik in der grünen Bundestagsfraktion
ist dafür ein guter Anfang. Auch die Grüne Jugend
hat sich auf ihrer letzten Landesversammlung in Regensburg
schwerpunktmäßig mit dem Thema Demokratie befasst
und hofft auf den baldigen Erfolg der Initiative.
Mehr Infos: www.volksentscheid.de.
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